Wer auf den beliebtesten Wanderwegen Europas unterwegs ist, dem wird folgende Beobachtung nicht entgangen sein: die Altersgruppen variieren, aber es sind erstaunlich viele Zweier-Teams unterwegs. Ist Wandern also ein Pärchen-Sport?
Man kommt nicht umhin sich zu fragen: führt Wandern zur Paarbildung oder führen langfristige Beziehung zu Wanderurlauben? Vermutlich ist beides wahr. Dating Seiten speziell für wandernde Singles deuten darauf hin, dass Outdoor-Fans gerne unter sich bleiben. Doch kommt es genau so vor, dass Paare miteinander Wandern als neues Hobby entdecken.
Woran liegt das?
Was man liebt, wird generell schöner, wenn man es teilt. Sollte das die Natur sein, dann wird man Outdoor-Aufenthalte nicht ohne den anderen verbringen. Außerdem stellt wandern meiner Meinung nach beinahe eine Vorbeugung für Paartherapie dar und sollte somit unbedenklich auch Anfängern im Outdoor Bereich empfohlen werden.
Was ist das besondere beim Wandern als Paar?
Auf einer Tages- oder Fernwanderung verbringt man sehr viele intensive Stunden miteinander. Und das ohne, dass der lärmende Alltag mit all seinen Verpflichtungen, Terminen und Optionen dazwischen grätscht. Haben Sie sich für eine Route festgelegt, den Proviant vorbereitet und das entsprechende Equipment eingepackt, gibt es unterwegs erstaunlich wenig zu entscheiden. Das unterscheidet Wandern von Kurzurlauben in die verschiedenen Metropolen Europas, wo man von der Unterkunft, bis zur Wahl eines Cafés oder Museums am laufenden Band „die Qual der Wahl“ hat.
Ohne diese Ablenkung kommt man dann beim Wandern dazu, der Natur, sich selbst und dem anderen viel Aufmerksamkeit zu schenken. Das gemeinsame Erleben steht im Vordergrund. Jeder läuft selbst und dennoch teilt man großartige Landschaften und eine Welt, die beide verbindet. Es kann so entspannend sein gemeinsam auf Worte zu verzichten und die Natur auf sich wirken zu lassen.
Eine Prise Abenteuer
Durch Bewegung kommen Sie in Fluss ohne sich zu hetzen. Der Geist entspannt sich und die Gedanken geraten in Schwung. Davon kann man schon bei einem Spaziergang profitieren, doch beim Wandern kommt eine Prise Abenteuer und Pionierstimmung dazu.
Was liegt hinter der nächsten Kurve? Wie wird der Ausblick von diesem Gipfel wohl sein? Dieses Freiheitsgefühl teilen zu können ist ein ganz besonderes Geschenk.
Romantik
In der Natur kommt es einem manchmal vor, als würde man durch ein riesengroßes Gemälde laufen. Diese Schönheit zu erleben ist unsagbar romantisch. Nicht ohne Grund haben die großen Dichter des neunzehnten Jahrhunderts in ihren Gedichten oft Eindrücke aus der Natur heraufbeschworen: Sonnenuntergänge, rauschende Wälder, den Vollmond am Himmel. Vor diesem Hintergrund kann die Seele aufatmen und auch der Beziehung zwischen zwei Menschen tut dieser großzügige Raum gut.
In abgelegenen Gegenden hat man manchmal das Gefühl, die letzten Menschen auf Erden zu sein. Und dass Wildnis und die Gegenwart des anderen alles ist, was man braucht.
Schönheit statt Eitelkeit
Eine Wanderung ist außerdem eine fantastische Gelegenheit um zu lernen sich aufeinander zu verlassen und gemeinsam ein sehr konkretes Ziel zu erreichen, wenn man das Ende eines Rundweges oder die Schlafstätte am Ende einer Tagesetappe ansteuert. Dabei kann es passieren, dass man an die eigenen Grenzen von Belastbarkeit und Ausdauer stößt und sieht, wie man sie gemeinsam erweitern kann. Allein eine Umarmung kann ungeahnte Energiereserven hervorlocken.
Wenn man lernt gegenseitige Unterstützung zu zeigen, wächst das Vertrauen in den anderen. Das ermöglicht dem anderen ungeschminkt zu begegnen. Die Natur ist kein Ort für Eitelkeit. Das macht auch nichts. Wenn man verschwitzt in funktioneller Outdoor-Kleidung stundenlang miteinander durch die Natur stromert oder Gipfel bezwingt, sieht man eine andere Art von Schönheit in den leuchtenden Augen des anderen.
Doch wie alle Erfahrungen, die sich lohnen, ist auch das gemeinsame Wandern nicht ohne Herausforderungen.
Herausforderungen beim Wandern als Paar
und wie man ihnen begegnet
#1 –Vorausschauend planen
Wie bei allen gemeinsamen Aktivitäten kann die Planungsphase für Stress sorgen. Hier gilt es klar zu kommunizieren und Kompromissbereitschaft zu bewahren. Auf beiden Seiten.
Wichtige Fragen sind: wo soll es hingehen? Wie lange wollen Sie wandern? Gibt es Wege und Karten? Wie ist die Beschilderung? Glücklicherweise findet man über das Internet hervorragende Informationen und Berichte über die meisten beliebten Wanderstrecken.
#2 –Unterschiede respektieren
Die Fragen, beim Wandern zu zweit, sind letzten Endes oft die gleichen Fragen wie im Leben. Wie entsteht aus zwei Individuen ein wir? Wie viel Raum gibt es für individuelle Bedürfnisse in einem Zweier Team? Wer passt sich an und wer gibt den Ton vor?
Ganz wichtig ist es Unterschiede zu respektieren und zu kommunizieren. Vielleicht will der eine länger an einem gewissen Ort verweilen, während der andere ungeduldig auf Uhrzeit und Wetterlage verweist. Es ist durchaus hilfreich sich ab und zu zu trennen und unterschiedlichen Dingen nachzugehen, so lange man sich auf eine grobe gemeinsame Richtung und einen Zeitplan einigen kann und sich wieder trifft. Diesen Balance-Akt sollten die meisten Paare aus dem Alltag kennen.
Das beste Mittel um damit umzugehen? Ich denke, es ist Humor.
#3 – Grundbedürfnisse befriedigen
Kälte, Harndrang, Hunger und Schmerzen sind nicht zu unterschätzen. Sie sind genervt und kurz davor Ihre Laune an Ihrem Partner auszulassen? Überprüfen Sie, ob Sie vielleicht einfach eines der oben genannten Grundbedürfnisse befriedigen müssen. Dann sieht die Welt meistens schon ganz anders aus.
#4 –Nichts persönlich nehmen
In der Natur ist alles intensiver. Sowohl die lohnenden Momente, als auch Phasen der Anstrengung. Sie sind näher an Ihrer Grenze und das kann auch dazu führen, dass Emotionen wie Glück und Frust schneller hochkochen als im Alltag. Spätestens nach ein paar Tagen gibt es vermutlich irgendeine Art von Konflikt. Das ist nicht ungewöhnlich und hat mehr mit der Situation als ihrem Partner zu tun.
Auch wenn es beinahe unmöglich erscheint: nehmen Sie die Momente, in denen es kracht, nicht persönlich. Meistens werden diese Gewitter von einer Reihe von Faktoren ausgelöst. Und so schnell wie sie aufziehen, sind sie auch schon wieder vorbei, wenn Sie es schaffen sie los zulassen.
#5 –Ungleichgewicht ausgleichen
Oft ist es so, dass innerhalb von Paaren ein Teil erfahrener, ausdauernder oder begeisterter ist als der andere. Wie kann man dieses Ungleichgewicht ausgleichen?
Wenn Sie der Unerfahrenere sind:
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Lassen Sie es zu, dass der andere seine Erfahrung teilt und vielleicht öfter Vorschläge macht. Nur weil Sie kein Experte sind, heißt dass nicht, dass Sie dem anderen ein Klotz am Bein sind. Nehmen Sie Hilfe und Ratschläge an.
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Kommunizieren Sie Ihre Bedürfnisse ohne Aggression. Sie brauchen eine Pause? Drückt der Rucksack? Haben Sie eine Blase am Fuß? Vieles von dem lässt sich durch gute Vorbereitung auffedern, trotzdem passieren immer Dinge, mit denen nicht gerechnet wurde. Geben Sie dem anderen eine Chance zu verstehen, was bei Ihnen los ist, selbst wenn er oder sie überhaupt nicht erschöpft ist. Am liebsten in einem netten Ton und daher besser bevor es gar nicht mehr geht.
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Ergreifen Sie die Initiative: gehen Sie mal alleine wandern, suchen Sie eine Strecke, die sich toll anhört oder versuchen Sie sich an der Navigation.
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Einen Partner zu haben, der mehr von Outdoor versteht als Sie, ist eine tolle Chance um Fähigkeiten zu erlernen und auf die Erfahrung eines anderen Menschen zurückzugreifen. Nutzen Sie sie.
Wenn Sie der Erfahrenere sind:
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Natürlich ist Wandern immer sportlich und darf gerne ein wenig anstrengen. Aber achten Sie darauf Ihren Partner nicht abzuschrecken. Gibt es eine extrem anspruchsvolle Strecke, bei der Sie an Ihre Grenze gehen und sich ohne Kompromisse herausfordern wollen? Machen Sie sie lieber alleine.
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Finden Sie moderate Wanderungen, an denen Sie beide Spaß haben.
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Beziehen Sie Ihren Partner mit ein. Auch wenn Sie Karten und GPS im Schlaf bedienen und der andere sich gerne auf Sie verlässt: teilen Sie Ihre Fähigkeiten und bringen Sie dem anderen etwas bei.
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Nehmen Sie schlechte Laune bei Müdigkeit und Erschöpfung ihres Partners nicht persönlich.
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Es regnet seit vielen Stunden? Preschen Sie nicht voran, sondern gehen Sie mit Ihrem Partner. „Gemeinsam schaffen wir das“ ist eine hilfreiche Einstellung!
Wandern – Spiegel der Beziehung
Wandern ist letztendlich ein Spiegel für den gesamten Prozess von gemeinsamem Leben und Wachsen. Immer wieder ist man dabei die richtige Balance zwischen individuellen Bedürfnissen und den Anforderungen des wir zu finden. Zeit in der Natur lehrt einen die Wichtigkeit von Kommunikation anzuerkennen, die es braucht um wirklich aufeinander einzugehen.
Doch auch Humor und Pausen helfen, wenn mal etwas schief geht. Der Trick ist sich gegenseitig immer wieder zu Verbündeten zu machen, anstatt eventuellen Frust aufeinander zu projizieren und gegeneinander zu arbeiten.
Wie beim Erlernen der anderen Lektionen der Liebe, wird man für alle Schwierigkeiten und harte Arbeit reich belohnt! Wie genau finden Sie am besten selbst heraus. Aber ein Beispiel ist das berauschende Gefühl Schönheit und Bedeutsames mit jemandem teilen zu dürfen, der es versteht.
Die größere Zahl an nicht mehr ganz jungen wandernden Paaren zeigt: wer wandert, der begegnet auch allen anderen Höhen und Tiefen einer Beziehung mit Optimismus.