> Reiseblog > Wandern Allgemein > Kleine Geschichte des Wanderns und der Fortbewegung zu Fuß
POSTED BY Mai 11, 2017

Am 14. Mai feiert man überall in Deutschland den „Tag des Wanderns“. Nicht nur gewinnt diese großartige Tätigkeit in letzter Zeit immer mehr an Beliebtheit, sie blickt auch auf eine stolze Geschichte zurück. Dabei haben sich Menschen noch viel länger auf zwei Beinen fortbewegt, als es das Wandern gibt, und zwar aus teilweise überraschenden Gründen. Erfahren Sie hier mehr übe die Geschichte des Wanderns. 

Vor mehr als 11.000 Jahren – Nomadentum

Bevor der Mensch begann Agrarwirtschaft zu betreiben und an einem Ort sesshaft zu werden, zog er in nomadischen Gemeinschaften mit seiner Herde umher. Die Fortbewegung zu Fuß war somit ein Mittel zum Zweck, um fruchtbaren Weidegrund ausfindig zu machen und das Überleben zu sichern.

Auch die sogenannten „Völkerwanderungen“, ob sie aus klimatischen oder sozialen Gründen erfolgten, stellen eine frühe Form von Mobilität dar und sind sicherlich der Beginn der Geschichte des Wanderns.

Weitere historische „Beweggründe“

Händler: Noch heute verlaufen viele Pässe und Wanderstrecken entlang von alten Handelsrouten.

Schmuggler: Wo Handel, Zölle und Handelsbestimmungen sind, fehlen auch die, die diese brechen, nicht. Schmuggler blicken ebenfalls auf eine lange Geschichte heimlicher Mobilität und illegaler Warenströme zurück.

Soldaten: Im Zuge von kriegerischen Konflikten und territorialer Eroberungen zählten Heere von Soldaten zu denjenigen, die weite Strecken zurücklegen mussten. Der berühmte West Highland Way in Schottland ist ein Beispiel für eine ehemalige Militärstraße.

Migration und Flucht: Wo Krieg ist, sehen sich Menschen gezwungen ihre Heimat verlassen und in die unbekannte Ferne zu fliehen.

Erforschung abgelegener Territorien: Um Grundbedürfnisse nach Wasser und Nahrung zu befriedigen, oder getrieben von purer Neugier, gehören auch Streifzüge und Erschließungs-Missionen zu Aktivitäten, die der Mensch laufend unternahm.

Pilger mit Pferd auf dem Jakobsweg in Santiago de Compostela

326 nach Christus – Der Anfang des Pilgerns

Helena, die Mutter von Kaiser Konstantin, war die erste christliche Pilgerin. Nachdem ihr Sohn das Christentum zur Staatsreligion gemacht hatte, wanderte sie barfuß und unbewaffnet (der Legende nach) von Rom nach Palästina. So wurde sie zum Vorbild für christliche Wallfahrer. Doch auch andere Religionen kennen Pilgern als spirituelle Form der Fortbewegung. Im Islam wird von Gläubigen erwartet, ein Mal in ihrem Leben nach Mekka zu pilgern.

Pilgern wird oft auch als Ursprung des Wanderns selbst gesehen und wurde bald zu einer Massenbewegung. Es wird berichtet, dass im Jahre 1300 aufgrund eines Papstbesuchs 20.000 Menschen nach Rom pilgerten.

Viele beliebte Fernwanderwege wie der Jakobsweg sind ursprünglich Pilgerpfade und werden bis heute von Tausenden von Menschen aus den unterschiedlichsten Motiven gelaufen.

Zu Fuß im Mittelalter – Von Spielleuten und Scholaren

Auch im Mittelalter noch galt Mobilität als das Privileg weniger Menschen und Bestandteil des Alltags bestimmter Berufsgruppen, wie fliegende Händler und Spielleute, die nicht nur Unterhaltung, sondern auch Neuigkeiten von Ort zu Ort brachten.

Dazu kamen die so genannten Scholare, Gelehrte, die mit einer Gruppe von bis zu zehn Schülern von einer Universität zur anderen wanderten und bestimmt auch durch ihre Reisen ihren geistigen Horizont erweiterten.

1336 – Francesco Petrarca „erfindet“ das Wandern

Francesco Petrarca war im Jahre 1336 der erste Mensch, von dem überliefert ist, dass er nur um der Erfahrung willen einen Berg bestieg. Er sagte, sein Antrieb war einzig „die Begierde, die ungewöhnliche Höhe dieses Flecks Erde durch Augenschein kennenzulernen.“

So machte er den Mont Venteux in der Provence zum ersten Ausgangspunkt einer Bergwanderung.

14. Jahrhundert – Handwerker und Abenteuerlust

Ab dem 14. Jahrhundert entstand die Tradition der Wanderschaft, auch Walz gennant, innerhalb der Handwerksberufe. Nach ihrer Ausbildung sollten junge Handwerker ihre Kenntnisse an verschiedenen Orten erweitern und hatten so die Möglichkeit etwas von der Welt zu sehen.

Auch heute noch sieht man manchmal Zimmermänner in ihren schwarzen Kordschlaghosen, der traditionellen Kleidung, durch die Lande ziehen.

18. Jahrhundert – Maler und Dichter

Bis ins 18. Jahrhundert hinein empfanden die Menschen die Alpen als grässlich und einschüchternd. Auf Reisen in der Kutsche zogen adelige Herrschaften die Gardine zu, um sich ihren Anblick zu ersparen. Das änderte sich vor allem durch Maler und Schriftsteller, die in dieser beeindruckenden Landschaftsform eine neue Ästhetik entdeckten.

Das Gedicht „Die Alpen“ von Albrecht von Haller aus dem Jahre 1729 stellt diese Wende dar. Doch auch romantische Landschaftsmaler und Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe veränderten durch ihre Reisen und der Wiedergabe ihrer Eindrücke in ihren jeweiligen Kunstwerken den Blick auf die Bergwelt.

19. Jahrhundert – Eisenbahnnetzwerk, Tourismus und Alpinismus

Durch den Aufbau des Eisenbahnnetzwerkes war es im 19. Jahrhundert erst malig auch dem „Durchschnittsbürger“ möglich größere Distanzen aus Vergnügen hinter sich zu bringen und die Welt zu erkunden. So kam in den Alpen langsam eine Art Massentourismus auf. Auch Erstbesteigungen erhöhten die Anziehungskraft der Berge und inspirierten Menschen dazu, das Wandern für sich zu entdecken.

In diesem Zuge wurden Vereine gegründet, die die benötigte Infrastruktur in Form von markierten Wegen, Hütten, Aussichtstürme und Wanderführern bereitstellten. Für die Bergbauern stellte dies ein willkommenes Zubrot dar.

1901 – Gründung der Wandervögel

Im Jahre 1901 brachten die Wandervögel Protestbewegung und Naturerleben zusammen. Die Jugendorganisation gründete sich mit dem Ziel gemeinsames Wandern, Aufenthalte in der Natur und Volksmusik als Form des Zusammenseins gegen die Enge des Deutschlands des Kaiserreichs zu kultivieren. Bald konnten sie 40.000 Mitglieder verzeichnen.

20. Jahrhundert – Das dunkle Kapitel des Nationalsozialismus

Bereits während des ersten Weltkriegs kam in Europa beinahe alle Reisetätigkeit zum Stillstand. Doch auch die Zeit des Nationalsozialismus hatte Auswirkungen auf die Wanderlandschaft in Deutschland.

Im Zuge der Gleichschaltung wurden die vielen Wandervereine in Deutschland dem Reichssportbund angeschlossen und ihre Mitglieder nach ideologischen Kriterien ausgesiebt. (Marxisten und Nicht-Arier wurde die Mitgliedschaft entzogen).

Darüber hinaus missbrauchten auch nationalsozialistische Institutionen wie der „Bund deutscher Mädel“ Aufenthalte in der Natur, um jungen Menschen eine Ideologie der Heimatliebe einzuimpfen.

1980er/90er Jahre – Umweltschutz und Renaissance

Seit der 1980er Jahre gehört der Umweltschutz und die Erschließung von geschützten Zonen, wie National Parks, immer mehr zum Aufgabenbereich von Wandervereinen. Seit den 90er Jahren erlebt das Wandern als Freizeitsport eine Art Renaissance. Das führte dazu, dass von verschiedenen Seiten wieder mehr in die (touristische) Infrastruktur in Wandergebieten investiert wurde.

Mittlerweile sagen 30 Prozent der Deutschen, dass sie mindestens ein Mal im Monat wandern gehen.

Gegenwart – Hipper Individualsport

Von einer Gemeinschaftsaktivität, die auch gerne im geselligen Rahmen stattfand, hat sich das Wandern im 21. Jahrhundert zu einem Individualsport gewandelt. Auch immer mehr junge Menschen zieht es raus in die Natur. Dabei dient vielen das Internet als hervorragende Informationsquelle für Routenplanung und sogar mobilen Wetterbericht.

Mit Hightech-Kleidung, Hochglanz-Outdoor Magazinen und GPS scheint es, als habe das Wandern die Zeiten von rustikaler Vereinskultur hinter sich gelassen und sei nun hip geworden.

Und während im 19. Jahrhundert der Aufbau des Schienen-Netzes erlaubte, Orte jenseits des eigenen Lebensraumes zu entdecken, nutzen heute viele Menschen ihre Urlaubstage, um per Flugzeug in andere Länder zu gelangen und dort in Wanderurlauben die schönsten Strecken kennenzulernen.

Die Geschichte des Wanderns spiegelt eben als Teil der Welt auch immer die Geschichte der Menschheit wider. In unserem Umgang mit der Natur werden so der jeweilige Zeitgeist und die mit ihm einhergehenden Bedürfnisse sichtbar. Das Bedürfnis danach, der Natur nahe zu sein, scheint jedoch Bestand zu haben.


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